Die Flucht
”Wenn ihr wollt bringe ich euch von hier weg” Die Worte klangen lange in ihren Ohren nach. Man wollte sie hier wegbringen, fort von der Insel, auf der Flosar sich niemals so frei bewegen konnte wie sie selbst. Fort von hier, aufs Festland, wo sie endlich näher bei ihm sein konnte. Raissa hatte der Fremden, die einen Dämon mit sich führte, gezeigt was sie war, hatte sie sehen lassen, was nicht einmal Flosar wusste. Dennoch wollte sie ihr helfen, von hier zu fliehen. Ihr Herz begann zu rasen und das Blut rauschte in ihren Ohren. Noch ehe sie sich klar wurde was sie da gesagt hatte, hatte sie schon zugestimmt und befand sich mit der Fremden auf dem Weg zu dem Tor, das sie wegbringen würde.
Sie war vorsichtig, denn sie wusste um die Monster die überall um das Tor herum lauerten. Dennoch… Sie schaffte es mit der Hilfe der Fremden. Erleichtert trat sie durch das Mondtor… und verlor ihre Orientierung. Wo war sie hier gelandet? Neugierig sah sie sich um, betrachtete die Schilder neugierig und beschloss dann, sich nach Vesper aufzumachen. Vielleicht würde sie ihn dort finden, oder zumindest einen Boten, der ihm sagen konnte wo sie war, damit er nicht vergeblich auf Jhelom nach ihr suchte.
Das erste was ihr auffiel, als sie die Stadt betrat war das Gedränge. Stadtschreier und Händler drängten sich um sie herum, und unwillkürlich hielt sie den Beutel der die wenigen Habseligkeiten enthielt die sie mitgenommen hatte etwas fester. Nachdrücklich drängte sie die Händler von sich weg und näherte sich einem kleinen, verwahrlost wirkenden Jungen.
„Grüsse Kleiner. Kennst Du einen Mann mit dem Namen Flosar?“ fragte sie das Kind halblaut und erst als der Junge strahlend nickte lächelte sie kurz. „Gut. Willst Du ihm eine Nachricht bringen?“ Wiederum nickte der Junge und sie begann ihm eindrücklich klarzumachen, was er Flosar sagen sollte. Sie drückte ihm einige Münzen in die schmutzige Hand und so schnell wie er nur konnte rannte der Junge davon.
Raissa blickte sich mit einem grimmigen Lächeln um. Große Städte boten viel Macht, es würde besser sein sie in Zukunft zu meiden.
Der Tag verging ereignisreich, sie lernte viele Menschen kennen, und noch sehr viel mehr, was ihr in der kommenden Zeit nützlich sein würde, doch ihre Gedanken waren bei den Dingen, die sie Flosar würde sagen müssen. Als es Abend wurde begab sie sich zu dem Treffpunkt den sie dem kleinen Jungen mitgeteilt hatte und wartete.
Sie sah ihn nicht kommen, und erst als ihr Name an ihre Ohren drang wandte sie sich um, erblickte ihn und näherte sich ihm eilig. Er hatte ihr so sehr gefehlt. Erst als er sie umarmte und fest an sich zog, wich die Angst dass er nicht kommen würde von ihr und sie war bereit, ihm zu sagen was gesagt werden musste.
Lange Zeit saßen sie auf dem Baumstamm und er hörte ihr zu, erfuhr, was sie war, wer sie war, woher sie kam und was ihr bisheriges Leben ausgemacht hatte. Doch trotz all dieser Dinge blieb er bei ihr. „Selbst wenn du eine halbe Lich wärst würde ich dich lieben“ Kein Wort der Welt hätte ihr mehr bedeuten können, als dieser eine Satz. Er liebte sie, ebenso wie sie ihn, und zusammen würden sie es schaffen, den Teil von ihr zu vertreiben, der eine Gefahr für ihn darstellen konnte. Sie war glücklich, und nichts schien dieses Glück trüben zu können.
Er brachte sie ins Orkdorf, in seine Heimat, und er sagte auch, dass es von nun an ihre Heimat sein könnte, wenn sie es wollte. Sie wollte. Nie wieder würde sie lange von ihm getrennt sein, nie wieder den Gefahren und Schrecken dieser Fremden Welt, dieser fremden Menschen ausgesetzt sein, die so anders waren als sie selbst. Als sie sich tief in der Nacht vertrauensvoll an ihn schmiegte, seinen Arm spürte, der sich um ihre Taille legte, wurde ihr zum ersten Mal klar, was all das bedeutete.
Er war Familie, die sie niemals gehabt hatte, er war ihr Freund dem sie vertrauen konnte und er war derjenige, der sie liebte, dem es gleich war, was sie war, woher sie kam, solange sie nur den weiteren Weg mit ihm ging. Sie lernte, das sie lieben konnte, dass sie nicht das war, was alle glaubten, sie lernte, dass ihre Heimat da war, wo ihr Herz sich befand. An seiner Seite.