von Kara Ireon » Mi, 22. Feb 2006 16:04
Das gleißende Licht zwang Kara dazu, die Augen zuzukneifen. Auch sie sah es, doch den Nekromanten, den sie grade versucht hatte zu beißen, konnte sie nirgends mehr erblicken. Doch sie erkannte im weißen Licht eine Gestalt, langsam auf sie zukommend. Ein junges Mädchen, sicher um einiges jünger als Kara selbst, schritt auf sie zu. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen.
„Hallo“ sagte die fast geisterhaft erscheinende Gestalt. „Was? Wer...?“ fragte Kara verdutzt. „Ich bin Mia, Mia Cilfalas. Doch was ihr von mir seht ist nur meine Seele, meinen Körper musste ich vor einiger Zeit verlassen.“ Sagte das Mädchen langsam. „Ihr seid...gestorben?“ wollte Kara etwas erstaunt wissen. „Ja, das bin ich. Jedoch unfreiwilliger Weise“ sprach sie weiter mit einem verbitterten Lächeln. „Doch ich liebte mein Leben, wenn es auch nicht immer leicht war.“
„Wie kann es sein, dass ihr hier seid? Ich dachte immer, Tote würden in die Unterwelt kommen.“ warf Kara ein. „Normalerweise ist das so. Doch meine Seele blieb hier, in der irdischen Welt. Sie ist gebunden an...ein einsames Herz...“ bei dem Gedanken an Yuin huschte ein Lächeln über Mias Lippen. Ihr Blick war voller Wärme.
Kara konnte nicht verstehen, was Mia sagte. Wie kann jemand, auch nachdem er gestorben war, noch immer solch starke Gefühle haben? Sie selbst hatte schon längst jeglichen Lebensmut aufgegeben. „Es trifft wohl immer die Falschen. Die, die sterben wollen, können es nicht und die, die leben wollen können dies gleichermaßen nicht.“ Noch immer hielt Kara den Dolch an ihr Herz. Mia erblickte ihn und ihre grünen Augen blitzten auf. „Wollt ihr denn wirklich sterben, Kara?“
Karas Blick verfinsterte sich. „Sonst würde ich das nicht tun wollen“ sagte sie und bewegte kurz den Dolch, der noch immer fest von ihrer Hand umschlossen, direkt auf ihr Herz gerichtet war. „Meine Leben besteht nur noch aus Qualen und dem ständigen Verlangen, Menschen etwas schreckliches anzutun. Ich kann und will so nicht länger leben.“
Mia lächelte. „Aber das Leben besteht eben nicht nur aus Freude, die Trauer gehört genauso dazu. Beide sind Teil des Lebens, denn es muss einen Ausgleich geben. Ich finde, gerade in Zeiten des Schmerzes wird einem umso mehr bewusst, dass man lebt. Ich würde alles dafür geben, noch einmal zu leben, bewusster und intensiver denn je. Aber...“ Mias Augen füllten sich mit Tränen. Schnell schloss sie sie, damit Kara es nicht bemerkte.
„Mia Cilfalas! Du sollst für mich leben, ich schenke dir meine verbleibende Zeit!“ sagte Kara entschlossen. Das Mädchen öffnete verwundert ihre Augen, unfähig zu glauben, was sie grade hörte. Doch schon in diesem Moment begann Mia zu spüren, wie ihre Seele zu Kara gezogen wurde. „Ich habe den Tod gewählt, du das Leben. So werden unsere beiden Sehnsüchte doch noch erfüllt.“ Das Mädchen blickte noch ein letztes Mal zu Kara. Sie sah glücklich aus, konnte sie doch endlich ihren Frieden finden. Fast schwerelos flog Kara davon, Mia jedoch blieb allein zurück.
Das weiße Licht verschwand, die Nacht kehrte zurück. Mia spürte den harten Boden unter sich, sie konnte kaum das Gleichgewicht halten und fiel zu Boden. Da saß sie nun, in Karas Körper, endlich hatte ihre Seele einen Platz gefunden. Mit der Nacht kehrte auch die Gestalt des Nekromanten zurück. Skeptisch blickte er sie an, wusste er doch nicht genau, was vor sich ging. „Yuin!“ rief Mia erleichtert. Doch der junge Nekromant wusste ja nicht, dass dort Mia vor ihm saß. Würde er sie erkennen?
(Fortsetzung folgt)