Laubblätter fegten umher, der Himmel ließ kleinste Regentropfen fallen und der Wind wehte durch die Gassen des kleinen Dorfes. Die alten Häuser, die den Platz säumten, ächzten unter dem Druck des Sturms. Inmitten dieses schlechten Wetters stand eine junge Frau, sie hatte ihre Augen geschlossen und schien mit ihren Gedanken sehr weit weg zu sein. Sie öffnete ihre Augen, schaute um sich, das Wetter völlig ignorierend. In ihrem Blick spiegelte sich Unsicherheit, fast Unerwarten.
Der Wind ließ ihre orangen Haare umherfliegen, sie kniff ihre Augen wieder zusammen, flogen doch zu viele Blätter umher, die ihr ins Gesicht peitschten. Plötzlich spürte sie einen festern Griff an ihrer Schulter, der Kara aus ihren Gedanken riss: erschrocken drehte sie sich um und blickte in das Gesicht von Rieltar, in das Gesicht des Mannes, auf den sie so sehnlichst wartete. Seit dem Abend, an dem sie ihn zu ersten Mal begegnet war, drehte sich ihr Leben nur noch um ihn, sie erlebte die schönste Zeit, die sie je hatte.
Er lächelte die junge Frau an und sagte leise: „Entschuldigt die Verspätung. Ich war...wurde aufgehalten.“ Sie lächelte zurück und erwiderte: „Das macht doch nichts!“ Er sah sie mit einem Blick an, den Kara noch nie zuvor gesehen hatte. „Was habt ihr? Ist alles in Ordnung?“ Kara war sichtlich besorgt, schien es doch ihrem Geliebten nicht gut zu gehen.
Seine Hand ruhte noch immer auf ihrer Schulter, doch verfestigte er seinen Griff nun. Karas Stirn runzelte sich, sie blickte ihr Gegenüber fragend an. „Es tut mir Leid, Kara. Irgendwann musste es so kommen, es gibt keinen anderen Ausweg.“ flüsterte Rieltar. Unfähig etwas zu tun konnte Kara nur noch sehen, wie Rieltar seinen Kopf langsam auf sie zubewegte. Kara schloss die Augen und spürte einen Stich, doch war er nicht auf ihrer Haut, nein, sie spürte ihn in ihrem Herzen, denn jetzt war alles so klar, wie nie zuvor.
Sie sank langsam zu Boden, Rieltar blickte nun zufrieden zu ihr herab, lächelte kurz und sagte: „Gehabt euch wohl, Kara Ireon!“ ein letztes Mal funkelten seine gelben Augen als er in der Dunkelheit verschwand. Langsam öffnete die junge Frau ihre Augen, sie befand sich noch immer auf der Straße, ihrem Treffpunkt. Die linke Seite ihres Halses schmerzte leicht, doch dies war nur ein geringer Schmerz im Vergleich zu dem ihres Herzens. Rieltar hatte sie niemals wirklich geliebt, seine Zeit verbrachte er nur mit ihr, weil er sie benutzen wollte.
Wesen wie Rieltar, und nun auch wie sie, waren nicht dazu fähig, jemanden zu lieben. Das realisierte Kara in diesem Moment. Ihr Leben würde sich nun grundlegend ändern, der Tag war mehr eine Qual, sie bevorzugte die dunklen Nächte, um sich im Freien zu bewegen. Ohne lange zu überlegen, packte sie ein paar Sachen in den alten staubigen Rucksack, zog ihren Umhang an und ging schnellen Schrittes aus der Tür. Sie schloss nicht ab, würde sie ihre kleine, windschiefe Hütte, in der sie bis jetzt wohnte nicht wieder besuchen. Sie machte sich auf den Weg, um in eine andere Gegend zu kommen, hier erinnerte sie alles zu sehr an ihre nun abgeschlossene Vergangenheit.
Nach drei Tagen langen Marsches erreichte sie endlich eine belebtere Gegend, Jhelom nannte man diesen seltsamen Ort. Kleine Häuser, die sehr einladend aussahen, eine kleine Taverne und – sie hatte darauf gehofft – ein Friedhof. Hier würde es sich leben lassen. Der Ort war reich bewohnt, Kara würde es gut haben. Sie akzeptierte nun ihren unstillbaren Durst, ein Verlangen, das sie nie wieder los werden würde, denn Kara war nun ein Vampir. Jede Nacht würde sie umherziehen, auf der Suche nach einem Opfer, das sie aussaugen konnte und ebenfalls mit diesem grausamen Fluch belegen konnte. Wer wird wohl das nächste Opfer sein...?