[Kapitel I: Wie alles begann]
Eine unerträgliche Hitze erfüllte die Luft. Qualm, schwarz wie die Nacht vernebelte die Sicht und fraß sich in die Lungen der jungen Frau, die das schreckliche Schauspiel mit tränenden, blauen Augen verfolgte. Wütende Flammen verschlangen die kleine Torfhütte, die sie und ihre Familie bis dahin ihr Heim nannten. Ersticktes Schluchzen ihrer zwei kleinen Jungen mischte sich unter das Knistern der Flammen. Mit verständnislosem, starrem Blick starrten sie auf das abgetrennte Haupt ihres Vaters. Seine so typischen blauen Augen erfüllte eine ungewohnte Leere, Blut sickerte aus seinen spitz zulaufenden Ohren und sammelte sich in einer leuchtenden Pfütze, die die Schreckensmienen der zwei kleinen zurückwarf.
Mit auffallend verächtlicher Stimme verlas der Drowmajor den Zerstörungsbefehl der oberirdischen Elfenrassen, den die Klerikerinnen durch die Spinnenkönigin Lolth empfangen und an das Militär weitergereicht hatten. Obwohl er es verabscheute, die gängige Elfensprache zu nutzen, so ließ er sich doch dazu herab. Es erfüllte ihn mit einer grausamen Genugtuung, das Entsetzen auf den Gesichtern dieses Abschaums zu sehen, welches seine Worte hervorriefen. Ohne jegliche erkennbare Gefühlsregung beendete er seinen Monolog, bevor er das Stück Pergament wieder zusammenfaltete und wieder in seine kaum sichtbare Tasche gleiten ließ. Den Mann der Familie, seinen Namen gedachte er sich nicht einmal zu merken, hatte er eiskalt Köpfen lassen, als der Befehl gegeben wurde, die Hütte, welche sein gesamtes Hab und Gut beinhaltete, in Flammen zu stecken. Er streckte seine schwarze Hand aus und packte das abgetrennte Haupt bei den Haaren. Ein herablassendes Grinsen legte sich um seinen perfekt geformten Mund. Er schüttelte den Kopf.Ihr oberirdischen Bastarde werdet schon noch lernen wo euer Platz ist. Und wenn nicht, habe ich alles andere als ein Problem damit unsere Straßen mit euren abgetrennten Häuptern zu pflastern. Ihr solltet endlich lernen, dass eure Zeit an der Oberfläche vorbei ist. Lolth wird sich erheben und ihr tätet besser daran ihr freiwillig Platz zu machen.
Ein wütender Aufschrei aus dem dichten Geäst eines naheliegenden Baumes folgte daraufhin, welcher jedoch für die Ohren aller Anwesenden ungehört blieb. Tränen rannen über das zierliche Gesicht der kleinen weißen Fee, Síre Varya, welche alles aus sicherer Entfernung beobachte. Zu ihrem Glück blieb ihr, obwohl die Hochzeit der Feen schon lange vergangen war, noch ein wenig ihrer Macht, sodass sie nur von denen gesehen oder gehört werden konnte, denen sie es gestattete.
Bei dem Anblick der skrupellosen Brutalität, mit der die Drows mittlerweile vorgingen wurde ihr das Herz schwer. Sie wischte sich die Tränen von der Nase und schniefte. Ihre Wangen glühten rot vor unterdrückter Wut. Wie konnte es nur jemals so weit kommen? Früher hätte sie mit einer einzigen Bewegung ihrer Hand alle Drows auf ewig in die Unterwelt verbannt. Heute jedoch war von ihrer Macht nicht mehr viel geblieben. So kommt ihr schwarzes Pack mir trotzdem nicht davon! rief sie mit erstickter Stimme, hob ihre Hand und konzentrierte sich auf den Major der Drows, der soeben Annan´s abgetrennten Kopf vor den entsetzen Blicken seiner Familie auf einen an seinem Pferd befestigten Karren geworfen hatte. Sie schloss die Augen, vor Anstrengung zitterten ihre kleinen Flügel…doch nichts geschah. Enttäuscht ließ sie den Kopf hängen. Irgendetwas muss ich doch tun können!
Ein Ausruf eines der herumlaufenden Soldaten der Dows erweckte jedoch ihre Aufmerksamkeit. Major! Als Der Drowmajor aufblickte verfiel der Soldat in die Zeichensprache, derer sich die Dunkelelfen vor allem während militärischen Aktivitäten oft bedienten. Schnelle Handgriffe und Fingerzeichen folgten aufeinander. Síre schnaube. Sie hatte zu lange auf dieser Welt geweilt, als dass sie sich dadurch aufhalten lassen würde. Einen Teil dieser geheimen Sprache hatte sie bei all den brutalen Übergriffen der Drows auf ihr Volk durchaus schon aufschnappen können. So folgte sie den flinken Bewegungen mit ihren Augen und wie zu sich selbst sprechend übersetzte sie deren Bedeutung. Schwert….Entwaffnung der irdischen Elfen….Karren. Als der Drowmajor daraufhin zustimmend nickte schleppte der Soldat ein in weißes Leinen eingewickeltes Schwert aus der brennenden Hütte hervor und schleppte es auf den Karren. Das sollte es soweit gewesen sein! herrschte der Major seine Soldaten an. Packt alles zusammen, was irgendwie von Wert sein konnte und dann brechen wir auf Dabei rümpfte er die Nase, Als besäßen diese Barbaren IRGENDETWAS von Wert. Mit einer galanten Drehung wandte er der enteigneten Familie den Rücken zu, wobei sein schwarzer, von zahlreichen Diamanten und Smaragden verzierter Umhang hinter ihm her wehte und schwang sich auf sein Pferd. Ein letztes Mal richtete er seine roten Augen auf die Hinterbliebenen. Nur selten hatte Síre so viel Hass und Verachtung in nur einem einzigen Blick erkannt. Es war klar, dass ihr Volk und gleichsam alle oberirdischen Elfenrassen nicht mehr Wert waren, als der Dreck unter seinen penibel sauber gehaltenen, schwarzen Lederstiefeln. Der Major hob seine Hand in die Luft, woraufhin die Soldaten sich ebenfalls zu ihren Pferden begaben und aufbrachen.
Nein, nein, nein!!! Aufgebracht flatterte Síre in die Luft, schaute abwechselnd von der jungen Frau, zu dem davonziehenden Karren, zu der jungen Frau, zu dem Karren. Oh nein, so lasse ich euch nicht davonziehen, nicht so! Protestierte sie lauthals und flatterte so schnell sie konnte mit ihren zierlichen Flügeln hinter dem Karren her. Über eben diesem verharrte sie und blickte sich hektisch um. Irgendwo dort musste es sein. Ah da bist du ja! rief sie erfreut aus und packte das weiße Leinenbündel mit beiden Händen. Zuerst regte es sich kaum einen Meter. Na komm schoooon! stöhnte sie, zerrte an dem weißen Stoff und flatterte wild mit den Flügeln und plötzlich löste es sich ruckartig aus den anderen konfiszierten Habseligkeiten ihrer Leute und erhob sich mit ihr in die Luft. Sie konnte nur hoffen, dass sich keiner der Drows umdrehte und das wie durch Zauberhand in der Luft schwebende Breitschwert erblickte. Doch das Glück war ihr hold. Als der Karren außer Sichtweite war ließ sie es erschöpft zu Boden fallen, wo sich seine Klinge in das trockene Erdreich bohrte. Síre ließ sich erschöpft auf allen Vieren daneben nieder um wieder zu Kräften zu kommen. Sie Maß kaum vier Fuß und sie musste all ihre Kraft aufbringen, um das Schwert von dem Karren zu tragen. Sie hob ihren Kopf. Ein Schwert weniger, das mit dem Blut meiner Leute befleckt wird! sagte sie und nickte nachdrücklich. Sie setzte sich im Schneidersitz daneben und fasste sich an die Schläfen. Sie selbst hatte nicht mehr genug Macht um die barad morn zu bekämpfen und ihr geschwächtes Volk würde auch nicht viel Wiederstand leisten können. Sie seufzte. Was sollte sie nur tun? Da fiel ihr das reich verzierte Heft des Breitschwertes in den Blick. Sie würde etwas tun, koste es, was es wolle! Selbst wenn sie bei dem Versuch ihr Leben lassen würde.
Nach einer kurzen Verschnaufpause erhob sich die kleine Fee erneut, stellte sich vor das Breitschwert und schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Dann murmelte sie in der Alten Sprache Heiliges Schwert, welches du uns und unseren Vätern so treu dientest, von Mut, Magie und Macht erfüllt bist. Schicke mir einen Mann, der das Blut meines Volkes in sich trägt, einen Mann von Heldenmut, der uns aller aus dem brutalen Griff und der Willkür unserer Besatzer befreit. Möge die Kraft all unserer Völker, des Waldes, des Schnees, der Erde, und selbst des Mondes sich wieder, wie einst in dir verbinden und unseren Befreier suchen und zu uns schicken!
Verschüchtert öffnete sie vorsichtig ein Auge. Hatte es funktioniert? Sie konnte keine Veränderung erkennen. Sie trat einen Schritt zurück, um das ganze Schwert genau ins Auge fassen zu können. Nichts. „Cnya! Serce! Túre!“ brüllte sie in einem letzten verzweifelten Versuch und schlug mit aller Kraft mit ihrer kleinen Faust auf die Erde, die darunter leicht erbebte. Das Beben, für all die größeren Kreaturen, wie Elfen oder Menschen wohlmöglich kaum zu spüren, bewegte sich langsam auf das Schwert zu, bahnte sich seinen Weg durch das Erdreich bis es schließlich die darin steckende Klinge erreichte. Diese begann in eben jenem Rhythmus zu erzittern, immer stärker, eine fast spürbare Hitze schien von ihr auszugehen, bis sie schließlich unter dieser leicht zu glühen begann.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer keimte in Síre auf. Es musste einfach funktioniert haben! Mit fast greifbarer Spannung beobachte sie das Schauspiel. Es war keine Minute vergangen, da war sie sich sicher, auch wenn diese ihr endlos vorkam, als ein fahles weißes Licht von der Klinge des Schwertes auszugehen schien. Dieses, anfänglich nur wie ein schwacher Nebel, wurde immer dicker, so dass Síre kaum noch durch ihn hinduchblicken konnte. Es veränderte seine Form, erhob sich in die Luft, ehe es die Umrisse eines großgewachsenen Mannes annahm. Dieser trug wildes, schwarzes Haar und war merkwürdig gekleidet, besaß jedoch die typischen blauen Augen und leicht, ja sehr leicht, spitz zulaufende Ohren. Das Licht nahm wieder an Helligkeit wieder ab, bewegte sich auf den Boden zu und setzte den nun vollends materialisierten Mann auf dem Boden ab. Er blickte sich verwirrt um und schien nicht gerade angetan von seiner Umgebung zu sein. Dann schlug sich ein Paar Mal hart gegen die Stirn, ehe er sich ein weiteres Mal umblickte und in seiner schwarzen Mähne kratze.
Wo zur Hölle bin ich hier?