von Valurion Thrend aus Vesper » Mi, 25. Feb 2004 16:50
An einem weit entfernten Ort, tief südlich von Camelot und Pergon:
Lichtstrahlen stachen wie goldene Speere durch die Löcher in den Sonnesegeln und durchzogen das Zwielicht der engen Gasse mit einem gleißenden Gitterwerk. Die Sonne stand jetzt im Zenit über den weißgekalkten Häusern der großen Stadt. Und es war ruhig, wie immer um die Mittagszeit. Die Hitze duldete keine Bewegung, keinen laut. Mensch und Tier hatten sich in die Schatten zurückgezogen und warteten darauf, dass die Sonne weiter zum Horizont wanderte. Die Basare waren fast Menschenleer. Nur ein alter Mann irrte durch die engen Gassen, die noch vor einer Stunde vor Leben pulsiert hatten. Müde setzte er einen Fuß vor den anderen und stützte sich dabei schwer auf einen Wanderstab, an dem eine Lederschnur die Flache Holzschale des Bettlers befestigt war.
Für einen Augenblick verharrte der alte und wischte sich mit dem Ärmel seines weitgeschnittenen Kaftans den Schweiß von der Stirn. Es war offensichtlich, dass dieses prächtige, mit silberfaden durchwirkte Kleidungsstück nicht schon immer ihm gehört hatte. An den Säumen war es mit verschlungenen, aufgestickten Ornamenten verziert. Doch der Kaftan hatte schon bessere Tage erlebt. Der dunkelblaue Stoff war abgewetzt und an den Ärmeln so dünn, das die Ellenbogen des Alten durchschimmerten. Schnaufend hatte sich der Mann wieder in Bewegung gesetzt und bog jetzt in dem unübersichtlichen Gewirr von Gässchen, das jedem Fremden wie ein Labyrinth erscheinen musste, nach links ab, um den Basar der Kupferschmiede zu betreten. Hier und da funkelte es rötlich aus dem Zwielicht, wo ein Sonnenstrahl auf eine der Metallarbeiten fiel. Große runde Teller, auf denen in reicheren Häusern am Abend Berge von Reis und Gemüse aufgetürmt waren, lagen auf den Holzbänken der Händler und Schmiede und boten jedem Vorübergehenden mit dem Versprechen an, auch in die bescheidenste Lehmhütte einen Hauch von Wohlstand zu bringen. Daneben standen Öllampen, fein ziseliert oder bar jeden Schmucks, hier schlank und länglich, dort üppig und ausladend. Doch auch banalere Dinge stapelten sich in den Auslagen. Türbeschläge und Nägel, Schlüssel und schlichter Schmuck für all jene, die es sich nicht leisten konnten kostbarere Metalle als Kupfer zu tragen. Wieder machte der Alte eine Pause und schöpfte Atem. Es war schwer zu schätzen wie viel Sommer der Mann schon erlebt haben mochte. Sein Gesicht war von der Sonne verbrannt und so dunkeln, dass es im Zwielicht fast schon schwarz wirkte. Im sonderbaren Kontrast dazu stand der dünne schlohweiße Bart, der ihm vom Kinn bis weit auf die Brust hinabreichte. Das Alter hatte den Bettler ausgezehrt. Seine Waden die unter dem Kaftan hervorstachen, waren fast so dürr uns sehnig wie die Beine einer Wüstengazelle. So wirkte der Alte, obwohl er um einiges größer war als die meisten Männer aus den Wüstenvölkern, nicht einschüchternd, sondern zerbrechlich. Nach kurzer Pause schlurfte er weiter. Vorbei an den Ständen der Kupferschmiede zu den Teppichwebern und Färbern.
Plötzlich zerriss eine Kinderstimme die Stille der Mittagshitze.
„Kallendbor ist wieder da! Sehr nur, er ist wirklich zurückgekommen!“
Für einen Augenblick spielte ein Lächeln um die Mundwinkel des Mannes. Er hatte jetzt mit großer Aufmerksamkeit einen Stapel bunter Teppiche betrachtet, der sich unmittelbar neben der Eingangstür eines der weißgekalkten Lehmhäuser türmte.
Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ er sich darauf nieder, lehnte sich gegen die warme Hauswand und schloss die Augen. Es war schwer, alt zu werden. Nichts was die Götter einem schenkten hatte Bestand. Ein wenig wehmütig dachte er an einmal Gewesenes. An seine Jugend, seine Kraft, die er stehts für so selbstverständlich hielt.
Sanft schüttelte er den Kopf und sah auf. Eine Schar Kinder mit schwarzen Haaren und großen Augen hatte ihn umringt.
„Erzählst du uns wieder eine Geschichte?“
Der Junge, der ihn gefragt hatte, mochte höchstens vier Jahr alt sein. Die anderen hatten ihn ein wenig vorgeschoben, so als sei von vorneherein ausgemacht gewesen, dass er und kein anderer die Frage stellten sollte. Der Alte lächelte und strich sich gespielt würdevoller Geste , so als sei er der Großwesir des Kalifen, den Bart.
„Gern werde ich euch eure Wünsche erfüllen, mein Prinz. Doch zuerst fragt euren Mundschenk, ob er nicht einen Tropfen Wein und eine Schale voll Obst erübrigen kann, denn ich bin weit gereist, und meine Kehle ist fast so trocken wie der Salzsee von Omau.“
Die Kinder lachten laut auf, nur der kleine Junge blickte hilflos zu Boden, als überlegte er fieberhaft, wo er zusammenstehlen könnte, worum der Bettler ihn gebeten hatte.
„Nimm´s dir nicht zu Herzen, mein Kleiner.“ Der Bettler hatte die dürre Hand ausgestreckt und strich dem Jungen durch die schwarzen Locken. „Das war doch nur ein Spaß. Wenn du mir ein Stück Melone und einen Schluck Wasser oder eine andere Kleinigkeit besorgen kannst, hättest du mich schon mehr als zufrieden gestellt.“
Kallendbor blickte in die Runde. „Ihr anderen solltet nicht untätig herumstehen. Wenn ihr eine gute Geschichte hören wollt, dann schaut nach, was ihr aus den Vorratskammern eurer Eltern mausen könnt, denn ein halbverhungerter Märchenerzähler ist so schwach bei Stimme, dass es wahrlich keine Freude sein wird, ihm zuzhören.
Eilig verschwanden die Kinder in Hinterhöfe und schattige Hauseingänge. Ihre Stimmen und ihr ausgelassenes Lachen verklangen. Nur das Geschrei eines Esels irgendwo im Labyrinth des Basars durchbrach die Stille. Müde sank der Bettler an der Hauswand in sich zusammen. Mit den Gedanken weit fort, doch konnte er sie nicht greifen, als jemand ihn am Ärmel zupfte und irgendwo eine Stimme verhallte: „Seht ihr, er hat doch nur geschlafen.
Blinzelnd schaute der Bettler sich um. Ein Krug voll frischen Brunnenwassers und ein kleiner Becher aus Ton standen vor ihm auf dem Teppich. Außerdem hatte man ihm eine flache hölzerne Schale mit einem Apfel, einem halben Brotfladen und ein paar getrocknete Feigen gebracht. Genug um über 2 Tage zu kommen, wenn man genügsam war.
Jetzt waren nicht mehr nur Kinder unter seinen erwartungsvollen Zuhörern. Auch einige Frauen standen im Hintergrund und gaben sich Mühe geschäftig zu wirken. Doch Kallendbor wusste genau, wenn er erst mal mit der Geschichte begonnen hatte, würden auch sie sich bald setzen und seinem Wort lauschen.
„Ich habe dir auch etwas besorgt.“ Der kleine Junge, der ihn geweckt hatte, trat vor Aufregung von einem Bein aufs andere. Mit der Rechten versteckte er etwas hinter seinem Rücken.
„Und darf ich sehen was du mir bringst?“
Der Kleine zögerte kurz, dann zog er eine halbe Honigmelone hervor.
„Beim Barte meines Oheims! Wo hast du denn dieses Prachtstück aufgetrieben?“
Der alte Griff nach der gelben Melone, schnupperte daran und verdrehte lustvoll die Augen.
Die Kinder kicherten.
„Wo hast du denn diese vollkommenste aller Melonen hergenommen, die jemals unter der Götter Augen gedieh?“
Der kleine blickte verlegen zu Boden und musterte seine nackten Zehen.
„Sag, wie heißt du eigentlich?“
„Rhondrian.“ ,entgegnete der kleine Schüchtern.
„Gut Rhondrian, dann nimm jetzt den Ehrenplatz zu meiner Rechten ein. Und nun geduldet euch bitte noch einen Augenblick und lasst mich von den köstlichen Leckereien probieren, die ihr mir so großzügig hinterlassen habt.“
Kallendbor zog ein schartiges Messer hervor und schnitt die Melone in 4 Stücke.
Geduldig hatten die Kinder zugesehen, bis Kallendbor sein Mahl vollendet hatte. Der alte Mann wischte sich zufrieden mit dem Ärmel seines Kaftans über den Mund.
„… und nun sagt mir, was für eine Geschichte ihr hören möchtet.“
„Es soll ein mutiger Krieger vorkommen. Erzähl uns von den stolzen Wüstenreitern, die die Suniten vertrieben haben.“
„Nein es soll ein Märchen sein… mit einer Prinzessin … und einem Prinzen, der sie auf einem edlen Ross holen kommt.“ Ein kleines Mädchen blickte erwartungsvoll zu Kallendbor auf.
„Nein keine langweilige Liebesgeschichte.“ ,grölten einige Jungen. „Wir wollen ein Abenteuer und kein erfundenes Märchen.“
„Erzähl von einem Zauberer und einem Schatz…“
Kallendbro breitete die Arme aus. „Gut, gut, meine kleinen Freunde. Ich fürchte es wird schwierig alle eure Wünsche auf einmal zu erfüllen.“
Nachdenklich kratzte er sich am Kopf.
„.. und du Rhondrian, was möchtest du hören?“
„Eine Geschichte von einem Dschinn, einem mächtigen Geist, der seinem Freund alle Wünsche erfüllt.“
Kallendbor lächelte nachdenklich. „Ihr seit wirklich kein genügsames Publikum. Ihr wollte eine wahre Geschichte mit einem Dschinn und einem Prinzen, einem Krieger und einer Prinzessin. Fast wünschte ich, ich hätte selber einen Dschinn, der mir nun riete, wie ich all eure Wünsche erfüllen kann. Doch ich glaube ich kenne eine wahre Geschichte, von der heute viele behaupten sie sei nur ein Märchen. Eine Geschichte von Liebe und Krieg, in der der Held einen Freund haben wird, der mindestens genauso unheimlich und geheimnisvoll wie der Flaschengeist ist. Es ist die Geschichte von Rhondrian und Lilith.
„Die Geschichte beginnt vor vielen Jahren an einem weit entfernten Ort Namens Germanien. Dort ist es viel kühler und die Natur erblüht üppig zu jeder Jahreszeit. Saftige Wälder zieren das Land. Ein Mönch der Ungläubigen, die an den einen Gott glauben läuft eilig zu seinem Meister, in seiner rechten hält er ein kleines Körbchen, ebenso in seiner linken. Die leisen Schreie zweier Babys sind zu vernehmen, und der Mann beginnt heftigst mit seinem Meister zu diskutieren, ehe der Mann die beiden Körbe an sich nimmt und fortträgt.
Die beiden Findelkinder gedeihen prächtig und man gab dem jüngeren der beiden den Namen Rhondrian, den anderen benannten sie Hagen. Hagen war stehts der stürmischere von den beiden, und oft zankte er sich mit seinem wesentlich ruhigeren Bruder. Als Hagen eines Tages alt genug ist um nach seinem Vater zu fragen, erhält er als Antwort das man nicht genau sagen könne wer es sei. Im zarten alter von 14 Jahren verschwindet Hagen spurlos, kurze Zeit später betritt ein hoher Herr das Kloster. Rhondrians 15. Geburtstag stand bevor, mit gebeugten Blick und für einen Kampf gerüstet verlässt er gemeinsam mit dem hohen Herr und vielen anderen Jünglingen das Kloster. Die Novizen sehen ihnen leidvoll hinterher und hier und dort senden sie Stoßgebete zum Himmel.
Viele Jahre vergehen und Rhondrian kehrt im Alter von 19 Sommern als einzigster wieder zurück. Narben zeichnen sein Gesicht und in seinen Augen brennt der Schmerz des Krieges.
Er verbringt einige Zeit in dem Kloster, als erneut ein Mann des Königs dort einkehrt um ihn wieder seinem Gottgefälligem Leben zu entreißen. Sein Weg endet in einem großen Pallast in Grenznähe zum Feindesland… vorerst.
*seufzt*