(Wenn auch unheimlich verspätet aufgrund OG-Stress, endlich Teil 2,
ich hoffe, es lesen trotzdem einige. Falls einige es vergessen haben, hier
Teil 1: http://www.welt-pergon.de/forum/viewtopic.php?t=11046 )
Hilflos lag sie im Schnee, sah den Frostdämon auf sich zukommen, das Tosen des Windes, das tiefe Grollen ihres Gegners, all das hörte sie nicht. Unfähig auch nur einen letzten Schrei von sich zu geben, ballte sie die Faust zusammen und spürte, wie der Schnee langsam zwischen ihren Fingern schmolz...
Zwar hatte Salia die Augen geschlossen, doch spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie fühlte sich schwerelos, so als wäre der Schnee eine riesige Wolke, auf der sie schwebte. Es herrschte Stille. Totenstille. Salias Schläfen pochten, ihr Kopf hämmerte, der Atem kam stoßweise und nur mühevoll. "Bin ich...tot?" wisperte sie. Ihre Worte klangen gequält, nur unter großem Aufwand sprach sie sie aus. An ihrem Körper zog nun eine tonnenschwere Last, die Leichtigkeit war verflogen, und langsam öffnete sie die Augen. Vor ihr, um sie herum, umgab sie nichts als Schwärze.
Ungläubig sah sie sich um, versuchte etwas in der tiefen Dunkelheit zu erspähen, doch es war unmöglich. Jede Bewegung verursachte ungeahnte Schmerzen, sie spürte, wie kleine Rinnsale frischen Blutes ihren Körper hinab liefen, eine Welle des Schmerzes schien sie zu übermannen, fast verlor sie erneut das Bewusstsein. Das Geräusch von auf dem Boden kratzenden Krallen ließ sie aus ihrer Trance hochschrecken. Die Schützin vermutete den Frostdämon, der sie zuvor bedrohte, sie wollte ihren Bogen packen - doch griff sie ins Leere. "Der wird dir hier wohl nichts nützen..." sagte eine leise Stimme, die Salia weder erkannte noch einzuordnen wusste.
Ein Knurren war zu hören, jemand näherte sich. "Wer...wer ist da?" Ein schmerzerfülltes Stöhnen entwich Salias Kehle, sie fiel auf die Knie, fing sich mit den Händen am Boden ab, alles verschwamm langsam vor ihren Augen zu einem unkenntlichen Bild. Plötzlich spürte die junge Frau eine kalte Schnauze an ihrer Wange, eine raue Zunge leckte behutsam das Blut aus ihrem Gesicht. Ohne ihn wirklich erkennen zu können wusste Salia, wer dieses Wesen war: ihr Bruder William. Einst war er für sie in den Tod gegangen und nun fristete er sein Leben, oder besser gesagt seinen Tod, in Form eines Wolfes. Von ihm hatte Salia die Faszination für das Bogenschießen, war sie doch vorher eine Schwertkämpferin.
"Will…" hauchte Salia, legte ihren Arm um den Hals des Wolfes. Vom ihm ging pure Kälte aus, sie spürte weder einen Herzschlag noch einen Atem, nicht ein einziges Anzeichen von Leben erfüllte den Wolf. Immer schon waren ihre Brüder eine Art Zuflucht gewesen, der Trost in dieser manchmal so hoffnungslosen Welt, wie ein Lichtstrahl in tiefer Dunkelheit...so wie ihn die Sterne aussenden. Doch genauso weit entfernt schienen die beiden Salia nach deren Tod. Zwar konnte sie sie sehen, doch sprechen vermochten sie in ihrer tierischen Form nicht. "Ich schaffe es nicht, ich habe nicht die Kraft dieses höllische Ungetüm zu töten..." Salias Worte waren nicht mehr als ein Flüstern.
"Ich wünschte, ich wäre so stark wie du, William." in der Nähe des Wolfes, so schien es, erholte sich Salia langsam. Jeder Zentimeter ihres Körpers brannte wie Höllenfeuer, es war ein Wunder, dass die Schützin noch bei Bewusstsein war. Sie spürte eine heiße Träne ihre Wange hinablaufen, es brach ihr jedes Mal wieder das Herz, ihre Brüder zu sehen, doch nicht mit ihnen reden zu können. Die Worte ihres Vaters kamen ihr in den Sinn, dass letztlich sie selbst der Grund dafür sein sollte. "Du willst uns zwar sehen, Salia, doch ruht tief in deinem Innersten die Angst, Garrett und mich zu enttäuschen. Immer bist du bestrebt, uns gerecht zu werden, unsere Stärken zu ersetzen, doch dabei vergisst du ganz deine eigenen. An Mut hast du Garrett schon längst übertroffen und meine Bogenkünste sind deinen um Längen unterlegen! Du bist weitaus besser als einer von uns beiden es je zu sein vermochte..."
Salias Augen weiteten sich, fassungslos starrte sie in die Dunkelheit. Ihr Bruder sprach zu ihr, und seine Worte trafen sie mitten ins Herz, wie ein Pfeil, den sie in den Körper des Feindes bohrte. Doch nicht etwa, weil das Gesagte sie verletzte, sondern viel mehr, weil es die blanke Wahrheit war. Immer schon war sie bemüht, so gut wie ihre Brüder zu sein, doch dass sie jene schon längst übertroffen hatte, wollte sie weder realisieren noch akzeptieren. „Garrett und ich sind mehr als stolz auf dich, Salia. Man kann Menschen nicht ersetzen, das sollst du auch gar nicht. Es ist gut, Ziele zu haben, auch solche, die unerreichbar sind, doch darf man dadurch nicht sein eigenes Können übersehen. Du bist mittlerweile eine starke Frau geworden, mit deinem Bogen gibt es kaum einen Feind, den du nicht besiegen kannst.“
Ihr eigenes Können – viel zu oft hatte die junge Frau sich an William und Garrett gemessen und sich dadurch unterschätzt. Sie spürte eine merkwürdige Wärme in sich aufsteigen, als sei ein Feuer in ihr entfacht worden. Doch diese Wärme wich sogleich der eisigen Kälte des Winters, Salia keuchte, als sie erkannte, dass sie wieder im Schnee hockte, der Wolf sowie die undurchdringliche Schwärze waren so schnell verschwunden, wie sie auftauchten. Ihre Hand schmerzte, so sehr umklammerte sie ihren pechschwarzen Bogen. Hinter sich vernahm sie, wie der Schnee unter dem Gewicht des geflügelten Dämons knirschte. All die quälenden Schmerzen vergessend packte sie ihren Bogen, drehte sich zu ihrem Feind und legte einen Pfeil an die gespannte Sehne. Der Pfeil zischte los und es schien Salia, als würde Jener einen Teil ihrer neu gewonnenen Energie enthalten.
Mitten ins Herz traf sie den Frostdämon, durch den ganzen Wald hallte sein ohrenbetäubendes Gebrüll. Sein Schrei verebbte, wich der anfänglichen Stille des Winterwaldes. Verschwunden war er, der Dämon, nur Salia kniete mit noch immer hochgehaltenem Bogen im Schnee. Ein paar Schneeflocken wirbelten durch ihr feuerrotes Haar, ihre blutgetränkte Rüstung klebte an ihr, Wind und Wetter zerrten an ihrem Körper, der ohnehin übersäht war mit schmerzenden Wunden. Doch genau in jenem Moment, an dem man nichts als Mitleid für Salia empfinden konnte, war sie glücklich.
Unter großen Mühen richtetet sie sich auf, schwankend schaute sie sich um, bis sie fand, was sie suchte: ihren Eisostard. Etwas abgelegen stand er mit blutender Flanke zwischen einigen Bäumen, den Kopf gesenkt, noch immer ängstlich. „Schlaues Kerlchen…“ flüsterte Salia lächelnd. Langsam hob das Tier den Kopf, erblickte seine Reiterin und stieß ein freudiges Geräusch aus. Humpelnd trottete er auf sie zu und stupste sie liebevoll an die Schulter. Ein Schmerz durchzuckte Salia bei der eigentlich zärtlichen Geste.
Zwar wollte sie ihr treues Reittier nicht noch mehr belasten, doch war sie einfach zu schwach, um selber zu laufen. So zog sie sich keuchend auf dessen Rücken und umschlang seinen Hals. Kaum dort angelangt sackte sie in sich zusammen, schloss ihre Augen lehnte ihren Kopf gegen den Ostard. Langsam trottete das Tier den Weg entlang – in Richtung ihrer Heimat. Nur kurz öffnete Salia ihre Augen, doch dieser Augenblick reicht aus, um am Wegesrand zwei Gestalten auszumachen – ihre Brüder. Doch es waren nicht etwa der Wolf und die Krähe, sondern William und Garrett, so wie Salia sie in Erinnerung hatte. Auf ihren Lippen lag ein Lächeln…