Odiac war in einer durchschnittlichen Familie aufgewachsen. Seine Mutter, eine Silberelfe, so wie er selbst, war Hausfrau, sein Vater , menschlicher Abstammung, verdiente sich als Gladiator in der naheliegenden Arena, und die beiden ältesten Söhne arbeiteten im Bergbau. Das Einkommen war nicht schlecht, reichte jedoch für 5 Kinder vorne und hinten nicht. Odiac war der viertgeborene. Er war der einzige, welcher die Zeichen seiner Mutter trug. Nachtschwarze Augen, silbrig-glänzende, weiße Haut, ebenso weißes zotteliges Haar. Jedoch waren die kämpferischen Triebe eindeutig vom Vater geerbt. Schon früh duellierte er sich mit seinem nächst älteren Bruder und gewann meistens. Nur beim Ringkampf, war er unterlegen, da er ein eher zierlicher Knabe war. Als Odiac 7 war, verließ der Vater aus dem Grund des ewigen Kampfes gegen das Bestehen seine Familie. Es war der Beginn des Fluches der Familie Dagon.
Odiac’s ältesten Bruder fand man wenige Tage später erdolcht in der Stallung des halb zerfallenen Dagon-Hofes. Für jeden war es klarer Selbstmord, für jeden außer dem kleinen Elfenknaben. Er plädierte mit fester Überzeugung auf Mord. Die Bewohner lachten ihn dafür aus, schallten ihn und beschimpften ihn schließlich, doch Odiac hielt seiner Überzeugung stand.
Das Einkommen wurde noch knapper und der nun älteste Mann im hause, der zweitgeborene Sohn, musste umso härter schuften um möglichst viel Geld reinzubringen. Umso tragischer und unfassbarer, war das Ereignis was sich gerade mal eine Woche nachdem Tode des ältesten Sohnes ereignete. Ein Arbeitsunfall so hieß es im Volke. Die Seile seien schon lange abgenutzt gewesen und so war es kein Wunder dass sie irgendwann reißen würden. Niemand zweifelte daran, dass es purer Zufall gewesen war, dass ausgerechnet Odiac’s Bruder sich auf dem Lastenzug befand, als die Fasern rissen. Niemand, außer dem kleinen Silberelfen. Abermals glaubte er an Mord, doch die Leute schenkten ihm keine Beachtung sondern beworfen ihn stattdessen mit faulen Obst.
Schließlich kam es zu jener verheißungsvollen Nacht, die Odiacs Leben von Grund auf verändern sollte.
Ein lautes Rascheln, Knacken und ein beißender Gestank in der Nase ließen ihn aus dem Schlaf schrecken. Verwirrt blickte er sich um. Ein flackernder Schein, der sich unter der Tür durchzwängte, erhellte den Raum. Vor Müdigkeit stöhnend schwang sich der Silberelf aus dem Bett und schlurfte schläfrig Richtung Tür. Verwundert merkte er, dass die Türklinke erwärmt war. Leicht nervös öffnete er die knarrende Holztür. Wie eine Wand drang ihm die Hitze entgegen. Zaghaft, vor Angst wie gelähmt machte er ein paar Schritte Richtung Treppe und spähte hinunter. Was er sah, ließ ihn zurück taumeln. Übelkeit und Schwindel überkam ihn. Hals über Kopf floh er in sein Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Sein Atem ging flach, sein Herz pochte wild und seine Gedanken rasten. Was sollte er tun? Er blickte zum Fenster. Seine einzige Fluchtmöglichkeit. Die schweren Schritte, die die Treppe hochschlurften beschleunigten seine Entscheidung. Er hastete zum Fenster, riss es auf und schwang sich heraus. Kalte Nachtluft umgab ihn wie ein kühlender Mantel. Leicht orientierungslos wollte er in die nächst beste Gasse flüchten. Das letzte was er noch hörte war ein leises Rauschen und er spürte einen dumpfen, sich ausbreitenden Schmerz in der Schulter, wo der Giftpfeil eingeschlagen war. Ohnmächtig, mit den Bildern der verbrannten, verkohlten Leichen seiner Geschwister vor Augen, brach er zusammen. Er wachte in einem klapprigen Bett auf. Um es herum standen fünf, in schneeweiße Mäntel gehüllte Gestalten, zwei davon trugen goldschimmernde Maske, eine Frau und ein Mann, offenbar die Anführer. Der maskierte Mann erhob das Wort:
“Willkommen mein Sohn..” Er stockte, als die Frau ihm in die Seite stieß. Doch Odiac war noch zu betäubt, diese Geste zu bemerken. Der Mann räusperte sich und fuhr fort. “Willkommen beim Bund der weißen Lilie” Er ließ, um ihnen Nachklang zu verleihen, seine Worte eine Weile im Raum stehen. Dann sprach er weiter: “Ab sofort bist du einer von uns, ein Lehrling der hohen Kunst des Mordens. Jedoch, müssen wir vorher dein Gedächtnis löschen, damit du bessere Trainings- und schließlich Jagderfolge hast...” Mit diesen Worten ritzte er mit einem Dolch Odiac’s Arm auf und träufelte eine gelbe Flüssigkeit in die Wunde “Viel Erfolg...” Nahezu rasend schnell breitet sich das Gift aus. Langsam wich Erinnerung um Erinnerung aus seinem Gedächtnis. Doch an eine klammerte er sich eisern, an die Erinnerung seines Namens, an Odiac Dagon. Allmählich sank er in tiefen Schlaf. Als er erwachte, herrschte in seinem Erinnerungsvermögen gähnende Leere. Er wusste weder wo er war, noch wie er hier her gekommen war. Er hatte seine Vergangenheit vergessen. Aber ein kleiner Funke glimmte in seinem Gedächtnis ..sein Geburtsname.
Das Training war hart und anstrengend, aber auch erfolgreich. Er übte sich im Nahkampf, im Umgang mit Säbel und Stab, im Fernkampf, Bogenschießen und Shurikenwurf, Verstecken und Schleichen und was ein Assassine noch alles benötigt.
Schließlich, als er 17 war, wurde er vor die Anführer des Geheimbundes geladen.
“Nun mein Junge, 8 Jahre hartes Training, Vorbereitung für deinen Beruf, sind hiermit beendet. Ab sofort wirst du mit den anderen..Jagen gehen. Wie es die Tradition vorschreibt, werden wir dir zur Weihe, als Zeichen des Vertrauens und Stolzes, unser wahres Antlitz offenbaren.”
Die Anführer nahmen gleichzeitig ihre Masken ab und Odiacs Gedächtnis kam schlagartig zurück. Die ungeklärten Morde, der Hausbrand, seine Familie, seine Geschwister, und ... und ..seine Eltern.
Der Saal begann sich vor seinen Augen zu drehen und zu verschwimmen. Schwarze Nacht umgab ihn, als er rücklings auf den Boden krachte.
Er erwachte in einem alten, von Spinnenweben verzierten Kerker. Ein verwittertes Skelett und eine Wache vor der Gittertür leisteten ihm Gesellschaft. Er vergrub das Gesicht in den Händen. Trauer drohte ihn zu übermannen. Doch der aufsteigende Zorn und das Verlangen nach Rache siegten. Seine sonst so nachtschwarzen Pupillen, wurden weiß wie Schnee. Er brach einen langen Knochen von dem liegenden Gerippe ab und schlich Richtung Gitter. Mit aller Kraft rammte er die scharfkantige Spitze des Leichenteils zwischen die Schulterblätter der verdutzten Wache. Ächzend sank diese zu Boden. Odiac stibitzte die Schlüssel für sein Gefängnis, den Säbel und drei Shuriken des Wachmanns. Tief im Schatten verborgen und leicht und leise wie eine Feder schlich er von Gang zu Gang Richtung Thronsaal. Das einzige Geräusch, was er verursacht hatte, war der dumpfe Aufprall der getöteten Wachsoldaten.
Schließlich, nach einem blutbefleckten Weg, erreichte er die schweren Türen des Saales. Der eine Flügel war leicht angelehnt. Lautlos schlüpfte Renor hinein. Seine Eltern, die Goldmasken, saßen auf ihren Thronstühlen und labten sich an ein paar Weintrauben. Eine handvoll Wachen standen im Raum verteilt. Odiac griff zu den Wurfsternen. Die scharfen Klingen zerschnitten die Luft. Zwei der Shuriken fanden ihren Weg in die Augenhöhlen der Maske der Mutter. Stöhnend brach sie zusammen. Der dritte Wurfstern schlitzte die Kehle des Vaters auf, welcher röchelnd auf die Knie sank. Die Wachen ergriffen die Flucht. Langsam, erhobenen Hauptes schritt er zu seinem Vater. Bluthustend sagte dieser: “Respekt..ich bin stolz auf dich..mein Sohn.”
“Ich bin nicht länger dein Söhn..Verräter..” Erwiderte Odiac leise und wutentbrannt. Mit überraschtem, traurigen Blick sank der Vater leblos zusammen. Der Ausdruck der sterbenden Augen holte den Silberelfen aus seiner Trance. Von Schuldgefühlen und einem inneren Schmerzen geplagt, floh er aus der geheimen Zuflucht der weißen Lilie in Richtung Hafen. Die ersten rachsüchtigen Weißroben waren bereits hinter ihm her, als er auf das nächstbeste Schiff stieg, um die so grauenhafte, garstige Heimat Richtung Jhe’lom zu verlassen...
Nach seiner Flucht wollte er im neuen Land erst ein wenig untertauchen, weiter trainieren. er musste sich tarnen, sich verstecken, der Tod lauerte überall auf ihn. Zu diesem Zweck nähte er sich eine Maske aus schwarzem Stoff um sein Gesicht und somit seine Identität zu verbergen, denn er wusste die Mitglieder der weißen Lilie sinnten auf Rache. Er gab sich selbst den Decknamen "Renor Drolnar", was so viel bedeutet wie "Schwarzer Assassine".