Eine zierliche kleine Gestalt, mit langen roten Haaren in einem weißen Kleid mit schwarzem Mantel saß am Rande der Felder von Yew. Hier hatte sie ein neues Zuhause gefunden, einen Platz, einen Ort den sie nie wieder verlassen wollte.
„Zuhause“ flüsterte Gyian leisen. Zuhause war für sie der Ort geworden wo Eddy war. Ihr Herz machte vor Freude einen Sprung als sie an ihn dachte. Ihre Seele, ihr Geist flogen dem Nekromanten zu. Nie hatte sich Gyian so wohl, so geliebt und geborgen gefühlt wie bei ihm.
Die Finger strichen immer wieder zart über den Blütenkopf einer Blume die Gyian gefunden hatte. Sie verlor sich in der hellroten Farbe der zarten Blütenblätter, tief sog sie den süßen Duft ein und ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. In ihren Augen schwammen Tränen, Tränen des Glücks. Dieses Leben hier, diese Wesen hier... all das, all die Freude die sie empfinden durfte, die Liebe und das Gefühl geliebt zu werden, beinahe zu viel für die junge Frau.
Namen tanzten durch ihren Geist. Bronn, der zu ihrem besten Freund und engsten Vertrauten geworden war. Raviyah und Aeras, die beiden wunderschönen Magierinnen, die Gyian so sehr mit ihren magischen Fähigkeiten und ihre Liebenswürdigkeit beeindruckt hatten.
Xaxis der ihr eine Familie gegeben hatte, den Clan. Ihre kleine Schwester Gabriela und die beste Freundin die mach sich wünschen konnte Caedes.
Langsam erhob Gyian sich, der Wind zerrte an ihren Kleidern und lies den Mantel flattern. Etwas wehmütig dachte sie an Samaro, sah seine blauen Augen vor sich. Doch sie hatte ihre Entscheidung ihrem Herzen zu folgen nie bereut.
Kleine Schritte brachten sie an das Wasser heran. Das Meer rauschte wundervoll in ihren Ohren, summten eine ihr bekannte Melodie und Gyian begann leise mit zusummen.
In der einen Hand lag noch immer der Blütenkopf, die andere lag schützend darüber. Ihr Weg führte sie auf die Brücke und Gyian lehnte sich weit über das schützende Geländer. In ihren grünen Augen spiegelte sich das blaue, schäumende Wasser des Meeres wieder. Gesichter, Erinnerungen zuckten kurz vor ihrem inneren Auge auf. Sie stellte sich wieder gerade hin und blickte auf ihre Hände hinab, die fest die Blüte umklammerten. Sie hob die Blüte an ihre Lippen und flüsterte leise:
„Ich gebe meine Schuldgefühle auf und lasse meine Vergangenheit hinter mir. Ich will nicht mehr daran denken was Einst war, die Gefühle der Traurigkeit sollen mich verlassen. Dieser Tag ist meine Wiedergeburt, denn ich gebe mein altes Leben auf.“
Dann hauchte sie einen sanften Kuss auf die zartroten Blütenblätter und warf den Blütenkopf ins Meer, wo er von den Wogen auch sofort hinfort getragen wurde. Mit der Blüte versanken auch die Erinnerungen im tiefblauen Wasser. Gyians grüne Augen leuchteten auf, sie seufzte erleichtert und befreit. Öffnete die beiden schweren Zöpfe und lies ihr Haar wild im Wind flattern. Den Kopf dem Himmel entgegen gehoben, kletterte sie auf das Geländer und blickte über das Wasser. Die Gischt befeuchtete ihr Haar und Gesicht als Gyian leise zu singen begann.
„Auf meinem Weg nachhause
ich erinnere mich genau,
es vielen die bunten Blätter,
vertrieben alles Grau.
Auf meinem Weg nachhause,
ich seh’ noch immer dein Gesicht,
fühle deine Wärme,
kann vergessen dich niemals nicht.
Auf meinem Weg nachhause
nahm der Wind mir allen Schmerz,
trieb ihn hinab ins Meer,
befreite mein gefesseltes Herz.
Auf meinem Weg nachhause
denke ich an all die guten Sachen,
und ganz besonders an dich,
die mein Leben lebenswert machen.“
Ihre Stimme erhob sich, klang hell und voller Klarheit, wurde vom Wind übers Wasser getragen. Gyian hatte die Augen geschlossen und gab sich nach langen drei Jahren wieder dem Gefühl und der Freude am Singen hin. All ihre Liebe für Eddy floss in diese Worte, all ihre Energie. Am Ende klang ihre Stimme ab zu seinem sanften, liebkosenden Flüstern und verlor sich leise im Wind.
„Auf meinem Weg nachhause
denke ich nur an dich,
daran wie sehr ich dich liebe,
du bist das Wichtigste für mich.“