Müde und doch sehr erleichtert betrat Dinivan die Planken des Bootsanlegers. Nach der langen Reise auf dem Handelsschiff schien die neue Welt unter seinen Schritten zu schwanken, so sehr hatte er sich mit der Zeit and das Neigen, Stampfen und Kränken des Schiffes gewöhnt.
‚Wie hatte die nicht sehr redselige Mannschaft diese Inselgruppe doch gleich genannt? Helorm? Jolam?’ Es war ein Name in etwa in dieser Richtung, aber wirklich erinnern konnt er sich nicht. Überhaupt war seine Erinnerung an Vergangenes stark getrübt. Das Land, aus dem er kam, hatte für ihn keine Zukunft bereit und so hatte er bis auf ein paar Habseligkeiten, die er bei sich trug, alles zurück gelassen. Was nicht sonderlich viel war, nachdem seine Eltern schon vor Jahren aus seinem Leben gegangen waren und nachdem sein alter Schreinerlehrmeister viel zu früh zu den Göttern gerufen worden war.
Hier stand er nun, noch immer das Gefühl des Schwankens in sich, keine abgeschlossene Ausbildung, nur eine Handvoll Werkzeug und keine Ahnung, wo er sich befand und was aus ihm werden sollte. „He, pass doch auf. Aus dem Weg…“ schrie ihn die Mannschaft des Seglers zu, die noch einige Waren auslud und neue an Bord nahm. Sie hatten ihm gesagt, er hätte nur einige Augenblicke Zeit sich zu entscheiden, ob er bleiben wolle, oder ob er doch mit weitersegeln wollte. Auch wenn Dinivan nicht wusste, was hier auf ihn zukam, er hatte sich zum Bleiben entschlossen.
„Interesse an einer Stadtführung, junger Abenteurer? Ihr seid doch sicher ein Abenteurer, oder nicht?“, Dinivan war mit seinen Gedanken noch immer nicht ganz an Land, da wurde er schon vom ersten Fremden angesprochen.
„Wie? Nein, verzeiht. Ich bin kein Abenteurer. Ich bin ein einfacher Handwerker…nun, eigentlich nicht mal das. Ich hab noch viel zu lernen.“ Hastig sprach der junge Schreiner zu seinem Gegenüber.
„Lernen ist immer gut. Wie wäre es, wenn Ihr lernen würdet wie diese Stadt aussieht. Jhelom! So wird sie genannt, Eure neue Heimat.“
‚Heimat’, das Wort klang noch so fremd in Dinivan’s Ohren – und doch schien dies seine neue Heimat zu werden.
„Ich danke Euch sehr für Euer Angebot, doch ich habe kaum Gold, um Euch für Eure Dienste zu entlohnen.“
„Nun, junger Herr, da macht Euch keine Gedanken. Die Stadtführung ist frei, so wie die Tipps, die ich Euch während der Führung geben kann. Doch glaubt nur nicht, dass Ihr in einem Schlaraffenland gelandet seid. Auch hier gelten die Gesetze des Marktes.“ Mit raschen Schritten entfernte sich der gute Mann vom Anleger und winkte Dinivan hinter sich her.
„Hier im Norden, das ist das Lagerhaus…“
Leicht schwindelig saß Dinivan auf einem alten, umgefallenen Baumstamm und schaute über das Meer hinaus in den Sonnenuntergang. Der Wortschwall des Stadtführers, die Umstellung von Seegang auf Festland und der Hunger nach einem langen Tag hatten zum Schwindelgefühl geführt. Zum Glück hatte er sich vom Schiff etwas Brot und Wasser aufgespart, so dass er nun wenigstens den ersten Mangel stillen konnte. Vor ihm loderte ein winziges Feuer, besonders geübt war er im Campen noch nicht. Das flackernde Licht warf seinen Schatten tanzend über einen Stapel unfertiger Bretter, ein paar Stämme und Holzscheite und über die ersten fertigen Stücke seiner Arbeit – ein paar Kisten, ein einfacher Hocker, und ein Nudelholz.
Doch nicht nur diese Gegenstände hatten den tag zu einem Erfolg gemacht. Da waren auch noch Begegnungen mit anderen Bewohnern der Stadt. Besonders im Gedächtnis waren ihm dabei Altaman Bodiak, ein junger Kämpfer mit dem Schwert, und Jariya Nym geblieben. Ihr Name war ihm wie ein Zungenbrecher vorgekommen und überhaupt war eine richtige Konversation eigentlich nicht möglich gewesen, denn sie sprach eine, zumindest für Dinivan, fremde Sprache. ‚Vendui’ – diesen Begriff hatte er sich merken können. Es schien ein Grußwort zu sein.
„’Vendui’ Jhelom – Seid gegrüßt, Jhelom. Ich hoffe, ich werde nicht lang ein Fremder hier bleiben…“